Mittwoch, 23. August 2017

Geschichten aus'm Krankenhaus

Über dreieinhalb Jahre ist es jetzt her, dass ich im Krankenhaus lag. Vieles vergisst man nach so einer verhältnismäßig langen Zeit. Dazu kommt, das die Zeit dort relativ kurz war. In der Akutklinik lag ich nur knapp 4 Wochen. Passiert ist für mich trotzdem waaahnsinnig viel. Letztens habe ich ein Notizbuch gefunden, in das ich damals ein paar Gedanken geschrieben habe und ich glaube, wenn ich mein damaliges Ich hier zitiere, kommt das alles etwas authentischer rüber, als wenn ich jetzt versuche, hier meine Gedanken von damals zu rekonstruieren oder sonst was.. Also Achtung, wird ganz schnulzig und emotional. Zu meiner Verteidigung: Ich war 15 :D

29.12.2013

"Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll. Ich liege im Krankenhaus. Schon 9 Tage lang. Angefangen hat alles am Freitagmorgen. Ich hatte Rückenschmerzen und plötzlich ein total merkwürdiges Gefühl in den Beinen. Sie fühlten sich irgendwie so instabil und nach richtig starkem Muskelkater an. Zuerst dachten wir, es wäre eine Verspannung, aber Wärme half auch nicht und die Schmerzen wurden immer stärker. Als ich ziemlich hysterisch wurde [ohja, mein armer Papa], beschlossen wir, den Rettungswagen zu rufen. Schnell lag ich im Krankenwagen auf dem Weg ins Krankenhaus. Dort konnte ich meine Beine kaum noch bewegen, die Ärzte wussten sich keinen Rat und schickten mich mit Tatütata in die nächstgrößere Klinik. Mama und ich durften ne Stunde in der Notaufnahme warten, bis ich endlich untersucht wurde. Es wurde sofort ein Notfall-MRT angeordnet, da ich bereits nicht mal mehr nen Kniereflex hatte. Mit meinem Rückenmark schien aber alles in Ordnung zu sein und mir wurde der Wirbelkanal punktiert und Nervenwasser entnommen und untersucht. Mama war die ganze Zeit dabei. In den nächsten Tagen bekam ich verschiedene Medikamente und es wurde mit einer Kortison-Therapie begonnen. Nach ein paar Tagen zeigte sich beim zweiten MRT dann eine Entzündung in der Wirbelsäule. Das Kortison hatte nicht den gewünschten Erfolg, deshalb wurde bald die erste Plasmawäsche [Plasmapherese = Plasmaaustausch mit Spenderplasma durch Venenkatheter am Hals - aua] durchgeführt. Auf diese reagierte mein Körper total allergisch. Die Ärzte (und ich!) erhoffen sich damit, dass die Erreger aus mir herausgewaschen werden. Das alles macht uns ziemlich zu schaffen. Ich habe Angst, nie wieder laufen zu können und für immer auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein [Haha]. Trotz allem bin ich überglücklich so eine tolle Familie zu haben, die jeden Tag versucht, mir Mut zu machen. Auch wenn es für sie selbst eine so schwierige Zeit ist, versuchen sie es sich nicht anmerken zu lassen [Awww..stimmt aber wirklich!]." 

Kaum zu glauben, aber danach habe ich erstmal darüber geschrieben, dass es trotz allem meine größte Angst ist, meinen (damaligen) Freund zu verlieren, weil doch niemand eine Freundin im Rollstuhl haben möchte. Naja, ich war halt 15. 


So sieht Silvester im Krankenhaus aus

01.01.2014

"Beschissener kann ein neues Jahr nicht anfangen.[...] Ich kann noch nicht einmal mit den Zehen wackeln, meine Geduld ist irgendwie am Ende. Am liebsten würde ich einfach die ganzen Schläuche aus mir rausreißen und abhauen. Tja, schlecht, wenn man nicht mal aufstehen kann.[...] Mama liest mir bei den Blutwäschen immer aus dem Thriller "Der Erdbeepflücker" von Monika Feth vor. In dieser Zeit bin ich in einer anderen Welt, weshalb sie damit keinesfalls aufhören darf."

Weiterhin ging´s darum, dass ich die Psychologin doof fand, ständig Heulkrämpfe hatte und nicht weit weg in die Reha wollte. Die Krankenschwestern fand ich eigentlich fast alle toll, die waren auch wirklich mega lieb.

02.01.2014

"Mein rechter Zeh bewegt sich! Vielleicht nur 2 mm, aber es tut sich etwas. Ich war überglücklich."

Ich hatte in dieser wirklich harten Zeit jeden Tag Besuch von meiner Familie oder meinen Freunden, das hat mich gut abgelenkt und mir Kraft gegeben. Hach, ich hasse so ein Rumgeschnulze, aber mir ging's damals wirklich scheiße. Ich konnte mich allein nicht mal im Bett umdrehen, musste wegen jedem Scheiß klingeln und konnte in fast vier Wochen zwei Mal duschen, das war echt nicht schön (für meine Mitpatienten wahrscheinlich auch nicht). Dazu kam, dass ich genau über Weihnachten und Silvester im Krankenhaus lag, als alle anderen zu Hause oder zusammen mit Freunden ihre Zeit verbrachten.
Die Mitarbeiter waren aber sehr lieb und mochten mich trotz meiner manchmal echt schlechten Laune. Ich weiß noch, dass mein Onkel und meine Tante mir mal Pizza gebracht haben, das war echt 'n Highlight. Meine Eltern hielten so viel Stress aus, um für mich da zu sein, bin ihnen da ewig dankbar. Sie haben mir damals kurz bevor ich zur Reha musste auch einfach noch meinen Hund aufs Krankenhausgelände geschmuggelt, weil ich ihn so vermisst habe.. auweia..


Sonntag, 13. August 2017

Warum "Luxusquerschnitt" ?

Luxusquerschnitt.

Querschnittlähmung + Luxus? Die beiden Wörter assoziieren die meisten Menschen wohl eher nicht miteinander. Verständlicherweise, denn eine Querschnittlähmung ist nun wirklich kein Luxus ("aber du hast doch immer einen Stuhl dabei, voll praktisch!" haha!).

So, aber nun mal zur Erklärung. In "Querschnittskreisen" (siehste! Da grenzen sich die Behinderten sogar selbst ab!) habe ich nun schon öfter für Menschen, die ähnlich geringe Einschränkungen wie ich haben, die Bezeichnung "Luxusquerschnitt" gehört. Und tatsächlich, im Vergleich zu vielen anderen Querschnittlähmungen ist meine Lähmung wirklich purer Luxus. Klingt komisch, oder?

Ich habe eine sehr tiefe und inkomplette Lähmung. Tief bedeutet in dem Fall, dass die Schädigung des Rückenmarks bei mir größtenteils im Bereich der Lendenwirbel liegt. Und je tiefer, desto besser. Sofern man einen Querschnitt auf Höhe der Brustwirbel oder der Lendenwirbel hat, hat man 'nur' Einschränkungen im Rumpf und/oder in den Beinen. Ich meine damit Bewegungs- und Sensibilitätseinschränkungen. Hat man besagte Einschränkungen nur in den Beinen und im Rumpf, ist man sogenannter Paraplegiker. Sowas wie ich also.

Sobald die Halswirbelsäule betroffen ist, hat man mindestens einmal mehr die Arschkarte gezogen, da dabei auch noch Einschränkungen im gesamten Oberkörper vorkommen. Sogar die Atmung kann  betroffen sein. Man spricht dann von einer Tetraplegie, also Bewegungs- und Gefühlsverlust in allen vier Gliedmaßen.

Ich habe mal gelesen, dass die Paras von den Tetras teilweise scherzhaft "Simulanten" genannt werden, fand ich ziemlich witzig. Selbst als Paraplegiker kann man kaum verstehen, wie viel mehr Einen eine so hohe Lähmung einschränkt, denke ich.

So, jedenfalls beschränkt sich meine Querschnittlähmung auf meine Beine und den unteren Teil meines Bauches/Rückens. Das macht schon wahnsinnig viel aus.

Und wie schon erwähnt, ist meine Lähmung noch dazu sehr inkomplett. Das heißt, mein Rückenmark wurde nicht komplett zerstört, weshalb ich unterhalb der Verletzungsstelle auch nicht komplett gelähmt bin. Sehr zur Verwirrung meiner laufenden Mitmenschen; die verstehen nämlich oftmals überhaupt nicht, wie ich denn querschnittgelähmt sein kann, wenn ich doch meine Beine bewegen kann. Tja, geht aber.

Anfangs waren meine Beine zwar - wie im vorherigen Post erwähnt - unterhalb meines Bauchnabels komplett gelähmt, mittlerweile hat sich das Ganze aber so gut gebessert, dass ich in der Lage bin, mit Stützen (Krücken) kürzere Strecken zu gehen. Physiologisch natürlich nicht ganz korrekt, aber immerhin komme ich vorwärts.

Bis dahin war´s aber ein laaanger Weg, von dem ich demnächst erzählen werde :)

Donnerstag, 10. August 2017

Transverse was? Myelitis?

Ja, ich habe eine Querschnittlähmung.
Nein, ich hatte keinen Unfall.

Meine Lähmung hat eine nicht-traumatische Ursache. Das heißt, sie ist nicht durch ein physisches Trauma entstanden. Sondern in meinem Fall durch eine Entzündung im Rückenmark.



Die Krankheit, die ich habe, nennt sich "Transverse Myelitis", hab erstmal ne Weile gebraucht, bis ich mir das überhaupt merken konnte.. Es handelt sich dabei um eine Autoimmunerkrankung, davon hat bestimmt jeder schon das eine oder andere Mal gehört. Mein Immunsystem hat quasi - warum auch immer - fälschlicherweise körpereigene Strukturen angegriffen, in dem Fall mein Rückenmark. Und wenn das kaputt ist, tritt halt 'ne Querschnittssymptomatik auf. Die Entzündung zog sich vom zehnten Brustwirbel bis zum ersten Lendenwirbel hinab, was natürlich entscheidend für spätere Einschränkungen und erhaltene Funktionen ist, aber dazu später mehr.

Das ganze passierte am 20. Dezember 2013, ein immer noch ziemlich bedeutender Tag für mich. Ich war schon seit Wochen krank, hatte einfach "nur" einen grippalen Infekt, den man schnell mal auf die leichte Schulter nimmt. Tja, nicht so clever. 

So eine Transverse Myelitis kann total unterschiedlich auftreten und ablaufen. Bei mir ging alles ziemlich schnell, ich hatte von einem Moment auf den anderen sehr starke Rückenschmerzen, die sich bis zu den Zehen hinunterzogen und nach vielleicht 1-2 Stunden konnte ich mich ab Bauchnabel abwärts absolut nicht mehr bewegen und mein Empfinden war recht eingeschränkt.

Mit Tatütata ging's dann von einem Krankenhaus ins nächste, Notfall-MRT nach ewiger Wartezeit, Entnahme von Hirnwasser aus dem Wirbelkanal und so weiter und so fort.. und trotzdem erstmal keine Diagnose, es war irgendwie nichts festzustellen. Nach einem zweiten MRT ein paar Tage später wurde dann so langsam klar, was ich hatte.

Und dann kam der Moment, nach dem alle immer fragen: "Wie hast du denn erfahren, dass du vielleicht nie wieder laufen kannst?" Ganz einfach, die Ärztin erklärte mir, dass ich eine Entzündung im Rückenmark hätte. Joa, Entzündung klingt ja erstmal nicht so schlimm, deshalb meine Reaktion in meiner damaligen Naivität: "Hm, ok, aber das geht ja wieder weg, oder?"
Als die Ärztin dann ihr Gesicht ein wenig gequält verzog und "Weiß ich nicht.." antwortete, wurde mir erstmalig und in geringem Maße klar, dass das wohl doch keine ganz so kleine Sache werden würde..

Sonntag, 6. August 2017

Und los!

So, mein erster Post auf meinem Blog. Ganz schwierige Sache, wie soll ich anfangen?

Die Idee, zu bloggen habe ich schon lange, aber bisher habe ich mich nie überwinden können, wirklich anzufangen. Aber besser spät als nie und deshalb jetzt - Ich bin Natalie, 19 Jahre alt und seit ich 15 bin inkomplett querschnittgelähmt. Und darüber möchte ich hier in erster Linie schreiben.
So oft begegnen mir Vorurteile, so viele Menschen haben ein falsches Bild von einer Querschnittlähmung - vielleicht kann ich mit diesem Blog ja ein bisschen dazu beitragen, das zu ändern (oder wenigstens zu verbessern..).

In den nächsten Posts werde ich einfach erstmal etwas über mich und meine Geschichte, was meinen Querschnitt betrifft, schreiben und von ein paar kuriosen Begegnungen erzählen, die man als Rollstuhlfahrerin im Alltag so erlebt. Dabei ergeben sich weitere Themen hoffentlich von selbst.. :)

Den Moralapostel möchte ich hier aber bei weitem nicht spielen und auf gar keinen Fall kann ich für jeden Querschnittgelähmten sprechen, das mal vorweg. Ich möchte mit diesem Blog einfach nur meine Gedanken zu bestimmten Themen in die Welt tragen und wer sich dafür interessiert, liest es sich durch und wer diskutieren möchte, ist auch herzlich willkommen.

Jedenfalls habe ich gemerkt, dass es mir in meiner Anfangszeit mit Querschnittlähmung sehr geholfen hätte, wenn ich mehr Geschichten von anderen Betroffen erfahren hätte, weshalb ich mir hiermit erhoffe, dem Einen oder Anderen etwas Gutes zu tun. Also, auf geht´s!