Mittwoch, 25. Oktober 2017

Halbe Helden

"Jetzt kämpft er sich zurück ins Leben."
"Im Rollstuhl sitzen ist keine Option für ihn."
"Er kämpfte sich ehrgeizig aus dem Rollstuhl."
"Er investierte viel Kraft und Energie und hat es somit geschafft, wieder laufen zu können."

Man, klingt das heroisch..

..auf den ersten Blick. Sicher muss jemand, der trotz Querschnittlähmung wieder laufen kann, sehr viel dafür trainieren, sehr ehrgeizig sein und den Willen besitzen, viel Zeit und Kraft in die Therapie zu investieren. 

Aber vor allem eins muss er haben: die gesundheitlichen Voraussetzungen dafür.
Ich finde es schlecht, dass Sätze dieser Art der laufenden Gemeinschaft suggerieren, dass man es mit ganz viel Ehrgeiz schaffen kann, sich aus 'den Fesseln des Rollstuhls zu befreien', um es mal im gleichen (schlechten) Stil zu sagen. Für den größten Teil der Querschnittgelähmten ist der Rollstuhl nunmal die EINZIGE Option. Und wir können froh sein, dass es ihn gibt ;)
Ich denke fast jeder Querschnittgelähmte ist vor allem in der anfänglichen Phase Willens genug, wieder laufen zu lernen. Problem: ist das Rückenmark kaputt, sind die von ihm innervierten Muskeln (mal komplett/mal inkomplett) gelähmt und wenn Muskeln gelähmt sind, dann sind sie das verdammt nochmal und da kann man wollen wie man möchte, die werden sich nicht aus heiterem Himmel einfach ansteuern lassen. Schön wär's. Und da kann mir auch jeder Wunderheiler erzählen, was er möchte..
Vor allem auch als frischer Querschnitt lässt man sich von derartigen Aussagen schnell Hoffnung machen und ist am Ende umso enttäuschter, wenn's bei einem selbst dann doch nicht so klappt. Mit der Zeit entwickelt man ein Gespür (und wahrscheinlich auch eine Abneigung) für ähnlich aufgezogene Geschichten und lässt sich nicht mehr direkt einen 'Floh ins Ohr' setzen.
Leider erlebe ich aber oft genug, dass laufende Menschen mir total euphorisch von Artikeln und Fernsehberichten in diesem Stil erzählen und meinen, sie hätten mir jetzt die perfekte Heilungsmethode aufgezeigt. Wenn eine Therapie wirklich erfolgsversprechend ist, muss sie nicht darauf setzen, sich dramatisch zu inszenieren. Die Erfolge sprechen dann für sich und die sollte man natürlich so weit wie möglich verbreiten, um so viele Betroffene wie möglich zu erreichen. Jedoch sollte von Vornherein klar gestellt werden, dass einfach nicht jedem geholfen werden kann.

Auch ich habe viel Energie investiert, um die Therapieerfolge zu erzielen, die ich mittlerweile erreicht habe und ich hätte sicherlich auch noch einiges mehr erreichen können, wenn ich noch mehr Kraft und Konsequenz in das Training gesteckt hätte. Aber all das war nur möglich, weil ich einen ausreichend inkompletten Querschnitt habe, um mich so gut bewegen zu können, wie ich es jetzt kann. Man darf durch die anfangs zitierten Aussagen nicht den Eindruck gewinnen, mit genug Fleiß kommt man schon aus dem Rollstuhl heraus und wer das nicht schafft, ist halt zu wenig ehrgeizig oder willenstark.

Also - Respekt, wer's schafft, mit Querschnittlähmung wieder zu laufen. Nervig, wenn es dargestellt wird, als wäre es lediglich eine Sache der Einstellung.

Samstag, 21. Oktober 2017

Filter

Neulich wurde mir gesagt, ich würde ziemlich schnell überreagieren. Okay, vielleicht ist das so und vielleicht tu ich das gerade mit diesem Post auch schon wieder. Aber ich möchte meinem Ärger bezüglich eines Themas Luft machen. Online. Gerne lasse ich mich in meiner Sichtweise auch korrigieren, falls mein Blick hier völlig verschoben scheint.

Und zwar, was mich echt ankotzt/verletzt/nervt/verwirrt: Aussagen (bezogen auf mich und die Tatsache, dass ich im Rollstuhl sitze) wie

"Um mit dir zusammen/befreundet zu sein, muss man schon ein guter Mensch sein."
"Das ist nunmal schon irgendwo eine Belastung, dass du im Rollstuhl sitzt. Man ist halt viel eingeschränkter."

Oder Fragen wie "Aber was ist denn, wenn jemand damit ein Problem hat, dass du im Rollstuhl sitzt?"

Also mal ehrlich, vielleicht sehe ich das alles falsch oder viel zu eng. Und ja, ich verstehe es, dass es nicht Jedermanns Sache ist, mit einer rollstuhlfahrenden Person eine Beziehung (egal, welcher Art) einzugehen. Berührungsängste und Co. spielen sicher eine große Rolle.

Aber ich verstehe nicht, wie mir bekannte Menschen es tatsächlich als eine so einschränkende Belastung sehen können, dass ich im Rollstuhl sitze. Ich bekomme mein Leben alleine auf die Reihe; kann alleine wohnen, einkaufen, Auto fahren; bin vielleicht sogar selbstständiger, als der eine oder andere laufende Mensch in meinem Alter. Und dann bekomme ich teilweise so erniedrigende Kommentare zu hören. Klar, lasse ich mir von Freunden gerne den Rollstuhl in mein Auto stellen; das geht nunmal schneller, wenn man laufen kann, aber das ist doch nun wirklich keine unzumutbare Belastung für denjenigen (falls doch, erklärt es mir hoffentlich mal jemand). Und ja, sicherlich kann ich nicht ganz so spontan sein, wie gesunde Menschen und mit mir kann man auch nicht durch unwegsames Gelände wandern, aber das ist doch ein Problem, mit dem allerhöchstens ich zu kämpfen haben sollte. Und wenn selbst ich meine Behinderung nicht als Belastung sehe, wieso erlauben sich das dann Andere?

Und die Antwort auf die oben genannte Frage: Wenn jemand ein Problem damit hat, dass ich im Rollstuhl sitze, dann ist das dessen Problem und nicht meins und mir herzlich egal. Solange es um fremde Personen geht. Handelt es sich um Freunde oder Menschen, die mir in einer anderen Art und Weise nahe stehen, verletzt mich das.

Aber vielleicht ist so etwas auch ganz gut. Gut, um zu filtern.

(Mir fällt gerade auf, dass hier die von Laura Gehlhaar geprägte Bezeichnung "Arschlochfilter" auch fast treffend wäre  http://lauragehlhaar.com/2015/03/23/meine-behinderung-der-arschlochfilter/)