Samstag, 10. Februar 2018

Pudding-Arme

Gestern, Freitagnachmittag. Ich hatte ein eintöniges, anstrengendes Praktikum in der Uni, war müde und genervt, weil die Sonne schien, während ich den Tag drinnen verbrachte, und ich wollte später noch bis in die Heimat fahren.
Und hatte so gar keine Lust, jetzt vorher noch klettern zu gehen. Aufgeregt war ich sowieso, weil ich Angst hatte, mich komplett blöd anzustellen und mir außerdem klar war, dass ich neu in eine Gruppe von Leuten kam, die sich bereits gut kannte. Klar, ist das nichts Schlimmes, aber ich bin da erst immer ziemlich zurückhaltend.
So, weil ich aber zugesagt hatte und es sowieso nicht cool finde, wenn Leute kurzfristig Rückzieher machen, weil sie einfach keine Lust haben, setzte ich mich trotzdem ins Auto und fuhr zur Kletterhalle. Weil ich es natürlich bis zur letzten Sekunde hinauszögern wollte, da hineinzugehen, fuhr ich noch ein paar Runden auf der Suche nach dem optimalsten (kann man 'optimal' noch steigern?) Parkplatz um das Gebäude. 
Irgendwann war dann aber endlich der Rollstuhl ausgeladen und ich auf dem Weg ins Gebäude. Da eine Gruppe Rollstuhlfahrer schwer zu übersehen ist, fand ich meine Leute schnell und wurde natürlich nett begrüßt - warum auch immer ich mir davor immer so 'nen Kopp mache..
Und dann ging eigentlich alles ganz schnell. Wir fuhren durch eine 18m hohe Kletterhalle und für mich, jemanden der noch nie in einer richtig großen Kletterhalle war, war das schon echt beeindruckend. Uns wurde geholfen, die Sicherheitsgurte anzulegen und nach und nach hing Einer nach dem Anderen an der Wand.
Und - oh Wunder - ich kann euch sagen, dass Rollstuhlfahrern der Rollstuhl tatsächlich nicht am Po festgewachsen ist und sie ganz ohne klettern konnten. Seltsamerweise sind der Rollstuhl und der darin Sitzende in vielen Köpfen ja eine untrennbare Einheit.. Dass wir von anderen laufenden Kletterern anfangs verwunderte Blicke zugeworfen bekamen, muss ich wohl eigentlich kaum erwähnen.
Aber ich gebe zu, ich war auch beeindruckt. Die meisten hatten - so wie ich das ihren Bewegungen zufolge eingeschätzt habe - einen kompletten Querschnitt und arbeiteten sich wirklich nur mit Armen und Rumpf an der Wand entlang. Was dann auch zwei blutende Knie mit sich brachte; aber wirklich beeindruckend war.
Irgendwann probierte ich mich dann mal an einer kleineren Übungswand aus und war gespannt, ob ich überhaupt über 'nen Meter vom Boden weg komme. Ich stellte mich an die Wand, hielt mich mit den Händen fest und stützte mein rechtes Bein auf den ersten Griff. Funktionierte gut. Das Mädchen, dass mich sicherte, unterstützte mich mit. Mein linkes Bein machte ein kleines Problem, da mein Fuß auf dieser Seite wirklich gelähmt ist und ich ihn daher nicht hochziehen konnte und nicht wirklich stabil auf den Griff stellen konnte. Aber gut, das war ja schon zu erwarten und dann zog ich eben das Knie ein Stück höher, um den Fuß auch noch mitzubekommen. Weiter ging's und plötzlich war ich schon oben. Und total gut gelaunt.
Ich probierte an der Übungswand noch eine Strecke aus, die ebenfalls gut funktionierte. Eine Läuferin und zwei fitte Rollstuhlfahrer aus unserer Gruppe wollten sich nun tatsächlich an den hohen 18m Turm in dem großen Teil der Halle trauen. Ich fuhr mit rüber, um zuzusehen, da ich eh bezweifelte nochmal genügend Kraft für eine Übungswand sammeln zu können. Die drei Anderen kletterten nach und nach den Turm hinauf. Bis ganz nach oben. Ohne Beinfunktion. Wahnsinn. Natürlich unterstütze derjenige, der unten sicherte; es war aber trotzdem eine wirklich beeindruckende Leistung.
Ich hatte es mir schon zum weiteren Zuschauen bequem gemacht, als irgendjemand meinte, dass ich jetzt dran wär. Einen kurzen Schockmoment später stand ich wieder gesichert vor dem Turm. Ich bezweifelte von Anfang an, dass meine Kraft überhaupt bis zur Hälfte reichen würde, aber ich versuchte es. Und was soll ich sagen.. nach etwa einem Drittel packte mich dann doch der Ehrgeiz. Nach dem nächsten Drittel machte ich dann den Fehler und schaute kurz runter. Dann war mir erstmal schlecht :D (klingt ja nicht wirklich hoch, aber wenn man da an so einer Wand hängt, kommen einem so ein paar Meter schon ordentlich vor).
Aber derjenige, der mich sicherte, spornte mich weiter an und ich versuchte mich am Rest. Und tatsächlich - ich schaffte es bis oben. Das Pflichtfoto wurde geschossen für mich ging es glücklich und vollgepumpt mit Adrenalin wieder nach unten. Jetzt kann ich mir ansatzweise vorstellen, wie schön, aber auch wie schwierig es sein muss, draußen in der Natur zu klettern.
Arme und Beine waren danach Pudding; ich hatte Probleme, meine Wasserflasche aufzudrehen und später meinen Rollstuhl ins Auto zu laden. Ich bilde mir ja ein, eigentlich einen recht gut trainierten Schultergürtel zu haben... aber heute liege ich mit Schmerzen im Bett. :D
Aber das hat sich gelohnt und ich möchte es auf jeden Fall wieder machen. Allein aus dem Grund, dass man mal handfest gezeigt bekommt, wie wenig man sich zutraut und wie viel man dann doch schaffen kann.
Und an alle Leser, die sich mit dem Klettern auskennen - es tut mir leid, ich kenne genau null Fachbegriffe :D