Sonntag, 25. März 2018

Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen.

Es gibt so ein paar Sachen, die ich wirklich gerne mal wieder machen würde; die aber für mich nahezu unmöglich machbar sind.

Tanzen zum Beispiel. Ich habe einige Jahre in einer Funkengarde getanzt und vermisse das Ganze jede Saison regelmäßig zum Karneval. Klar, man kann auch im Rollstuhl sitzend tanzen und so weiter, aber niemand wird bestreiten, dass das nun wirklich nicht dasselbe ist.

Das Reiten war wahrscheinlich das Hobby, das mir vor meiner Erkrankung am meisten am Herzen lag. Natürlich kann man auch mit Querschnitt wahnsinnig gut reiten, wie viele Parareiter immer wieder beweisen. Aber irgendwie fehlte mir dafür bisher immer der nötige Mut und die Ausdauer, um die Sache wieder aufleben zu lassen. Einfach irgendwo Reitstunden nehmen, ist nicht. Ich glaube, man braucht nämlich in Situationen wie meiner wirklich viel Geduld und Zeit, um individuell die optimalen Lösungen und Kompensationen zu finden. Mal ganz abgesehen davon, dass man ein geeignetes Pferd braucht und jemanden, der sich damit etwas auskennt und einen unterstützt. Ich hoffe, dass ich trotzdem irgendwann mal wieder dazu komme.

Und da man ja immer irgendwie das haben will, was man nicht haben kann, will ich momentan gerne Wandern. Hahaha. Wie soll das gehen?

Nun, das frage ich mich auch. Es gibt zwar in Deutschland eine nicht gerade kleine Anzahl von barrierefreien Wanderwegen, die meist von Familien mit Kinderwagen und älteren Menschen mit Gehhilfen genutzt werden, aber das ist eben nicht das, was ich will. Diese Wege sind touristisch meistens total überlaufen und man kommt gar nicht dazu, irgendwie alleine und für sich sein zu können. Alle anderen Wege sind allerdings für mich natürlich viel zu steil, zu eng, zu unwegsam.
Vielleicht muss ich einfach akzeptieren, dass ich irgendwo tatsächlich eingeschränkt bin und mir Grenzen gesetzt sind.

Also, ich bin auf Hobbysuche. Jede Woche Schwimmen zu gehen ist zwar schön und gut, aber erfüllt mich trotzdem nicht besonders. Vielleicht hat ja jemand Ideen, die mir bisher noch gar nicht in den Sinn kamen.

Freitag, 9. März 2018

Zum Thema "Schwer-in-Ordnung-Ausweis"


Der Schwerbehindertenausweis. Jetzt ganz aktuell der Schwer-in-Ordnung-Ausweis.
Er ermöglicht Menschen wie mir kostenfrei fast alle öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Eine Begleitung beim Bahnfahren mitzunehmen; auf Konzerte; auf Veranstaltungen und so weiter. Aufgrund des "B" für Begleitperson muss meine Freundin im Schwimmbad gar nicht zahlen und ich aufgrund des Grad der Behinderung 100 nur den ermäßigten Preis. Mir würden sicher noch eine ganze Reihe anderer Vorteile einfallen, die dieser Ausweis mit sich bringt, aber das sind erstmal die 'Leistungen', die ich hauptsächlich nutze. - wie sinnvoll und gerechtfertigt das gerade in meinem Fall ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Dazu gibt's nen guten Artikel in der 'Zeit' von Christiane Link, darauf will ich jetzt aber gar nicht weiter eingehen.
Mir geht es um die Diskussion zum Titel Schwerbehindertenausweis / Schwer-in-Ordnung-Ausweis. Wer damit noch nicht per Facebook/Instagram/Sonstwas konfrontiert wurde, meine Kurzfassung - ein 14 jähriges Mädchen mit Down-Syndrom hat beklagt, die Bezeichnung "Schwerbehindertenausweis" doof zu finden und lieber einen "Schwer-in-Ordnung-Ausweis" haben zu wollen. So weit, so gut. Ich verstehe die Intention dahinter und ich gebe zu,  dass auch ich es damals mit 15 mehr als unangenehm empfand, jetzt einen Schwerbehindertenausweis zu besitzen und somit "zu den Behinderten" zu gehören.
Einige Bundesländer nahmen sich der Sache an und stellen nun "Schwer-in-Ordnung" Hüllen für Schwerbehindertenausweise zu Verfügung. Super, jetzt kann ich meiner Behinderung einfach das Etikett "Schwer in Ordnung" aufdrücken und genau so und nicht anders werden mich die Menschen wahrnehmen. Nicht.
Ich fürchte, ich gewinne hiermit keine Sympathiepunkte, aber ich finde wirklich, dass es nicht viel bringt das Thema Behinderung in meinen Augen so - entschuldigt - infantilisiert darzustellen. Dieser Ausweis soll mir lediglich hauptsächlich finanziell helfen, meine Behinderung auszugleichen (ob das ein guter Weg ist, sei dahingestellt) und natürlich kein Aushängeschild für meine Persönlichkeit sein. Klar bin ich nicht in erster Linie Behinderte, aber für die Belange, für die ich den Ausweis einsetze, ist nur das von Bedeutung. Ob ich schwer in Ordnung bin, ist dagegen aber eine ganz andere Sache. Ich kann doch auch schwerbehindert und gleichzeitig ein empathieloses Arschloch sein.
Ich finde einfach, dass es nichts nützt, sich in einer rosa Kaugummiblase zu verkriechen und sich an Titeln aus dem Beamtendeutsch aufzuhalten. Die Länder haben im Hinblick auf Barrierefreiheit ganz andere und meiner Meinung nach viel bedeutendere Baustellen. Was man mit der Debatte erreicht ist auch nicht das Umdenken in den Köpfen anderer Menschen, sondern vielmehr, als behinderter Mensch wieder in einer Position zu stehen, in die ich zumindest nicht gedrängt werden will. Man ist wieder mal eine ganz starke Persönlichkeit und irgendwie finden das alle ganz ganz niedlich - und schon werden die Behinderten mal wieder mitfühlend belächelt. Wenn das einigen Leuten hilft, sich besser zu fühlen und mit ihrer Behinderung besser umgehen zu können, ist das gut. Mir hilft so was leider gar nicht, ich möchte nicht belächelt sondern ernst genommen werden. Und das nicht einfach nur aus Empathiegründen oder weil Leute gedanklich Karmapunkte sammeln wollen.
Zudem bin ich der Meinung, die Forderung 'schwer behindert' durch 'schwer in Ordnung' zu ersetzen impliziert, dass beides gleichzeitig nicht geht. Aber wenn Menschen mit Behinderung in dieser Hinsicht selbst nicht verstehen, dass die Bezeichnung schwerbehindert keine Schlüsse auf die Persönlichkeit desjenigen ziehen lässt, wie sollen das dann Außenstehende tun?
Wenn selbst wir das Adjektiv 'behindert' weiterhin so behandeln, als wäre es eine absolut negative Beschreibung, erreichen wir doch, dass es genau so gesehen wird. Haben wir doch bei Harry Potter alle schon gelernt, als es darum ging, den Namen Lord Voldemorts nicht aussprechen zu dürfen: "Angst vor einem Namen macht nur mehr Angst vor der Sache selbst."
Als Mensch mit Behinderung so zu tun, als wäre Behindertsein eine direkte Beleidigung wird genau diese Auffassung weiterhin schüren.
Deshalb werde ich weiterhin ganz normal mit meinem Behindertenparkausweis auf einem Behindertenparkplatz parken, ins Schwimmbad rollen, an der Kasse meinen Behindertenausweis vorzeigen, auf die Behindertentoilette gehen und beim Schwimmen meiner ganz normalen Freizeitaktivität nachgehen.
Und mal ganz nebenbei - beim Schreiben dieses Textes habe ich gemerkt, wie viel umständlicher es ist, Schwer-in-Ordnung-Ausweis statt Schwerbehindertenausweis zu tippen. Also, allein aus Einfachheit und da man Dinge nicht komplizierter machen muss, als sie ohnehin schon sind - Ich bin schwerbehindert. Und manchmal auch ganz in Ordnung.