Samstag, 21. Dezember 2019

mehr als nur 'ne Gehbehinderung

Heute hatte ich denselben Pullover an, den ich am 20.12.2013 trug, als ich ins Krankenhaus gebracht wurde. Erkältet bin ich auch, genau wie damals. Nur bleibt diesmal (bitte hoffentlich) die Autoimmunerkrankung aus. 6 Jahre ist es nun schon her, seitdem verging die Zeit wie im Fluge, obwohl so viel Wichtiges in meinem Leben passiert ist - die Zeit in der Reha, der 'Neuanfang' in der Schule, das Abi, der Führerschein, Bochum, das FSJ, mein Studium. Und nebenher habe ich gelernt, mein Leben als Rollstuhlfahrerin zu führen.
Seit meinem Post zum "Fünfjährigen" kamen kaum neue Blogeinträge dazu. Es gibt nicht mehr viel Neues zu erzählen; viel ändert sich nicht. Ich mache körperlich keine nennenswerten Fortschritte, aber habe glücklicherweise auch keine Verschlechterungen zu verzeichnen. Wäre mein Umfeld barrierefreier, würde mir die Gehbehinderung an sich noch weniger ausmachen, als ohnehin schon. Eher stört mich immer noch, dass andere mich anders wahrnehmen als früher. Erst kürzlich hat eine mich unterrichtende Ärztin partout nicht in Erwägung gezogen, dass ich als Medizinstudentin dauerhaft Rollstuhlfahrerin sein kann. Sie dachte, ich würde nur temporär im Rollstuhl sitzen und hat erst spät verstanden, dass ich tatsächlich immer darauf angewiesen bin. Dass sie (als Neurologin) von Vornherein erstmal davon ausging, dass das nichts chronisches sein kann, hat mich irgendwie negativ überrascht. 
Obwohl die veränderte Wahrnehmung eigentlich nicht unbedingt schlecht sein muss; teilweise hat sowas für mich ja auch Vorteile. Und beeinflussen kann ich nicht, was andere von mir denken, deshalb ist es sowieso ratsam und gesünder, sich darum keine Gedanken mehr zu machen. Aber das habe ich immerhin schon mal erkannt und kann daran arbeiten. 

Und am meisten stört mich sowieso ein Thema, auf das ich hier noch nie näher eingegangen bin, was aber bei vielen Querschnittgelähmten und so auch bei mir große Präsenz einnimmt: Auch die Blasenfunktion wird mithilfe verschiedener Muskeln reguliert und auch diese Muskulatur kann von einer Lähmung betroffen sein. Dann muss man sich mehrmals am Tag katheterisieren und sein Trinkverhalten daran anpassen. Klingt viel simpler als es ist; in der Realität ist es (aus meiner Erfahrung) komplizierter und oft frustrierend. Allein die dadurch viel häufiger auftretenden Harnwegsinfekte und die damit verbundenen Antibiotika-Einnahmen. Oder das Problem, nicht spontan bei jemandem übernachten oder länger unterwegs sein zu können, weil man nicht genügend Material mitgenommen hat (dieses Material ist zum Glück übrigens recht klein und unauffällig). Ich bin zwar froh, dass es die Möglichkeit gibt; früher sind Gelähmte sehr zeitig an Nierenversagen verstorben, aber trotzdem ist die ganze Sache oft belastend. Vor allem, wenn man dadurch rund um die Uhr immer und überall auf von der Krankenkasse bezahltes Material angewiesen ist. Demzufolge kam es schon öfter vor, dass die (nicht vorhandene) Großzügigkeit meiner Krankenkasse letztendlich bestimmt hat, wie oft ich am Tag zur Toilette gehen konnte/durfte. Ich will wahrscheinlich auch weiterhin nicht viel detaillierter darauf eingehen (früher wussten davon nur meine Eltern und meine allerengsten Freundinnen), aber dies nur mal als kleiner Ausblick dahingehend, dass so ein Querschnitt leider mehr mit sich bringt, als nur eine Gehbehinderung. 

Und trotzdem - es geht mir gut, ich komme klar und denke, dass alles richtig so ist, wie es ist. 

1 Kommentar:

  1. Ich denke, viele Erkrankungen haben so ihre Tücken, an die man als Nicht-Betroffener gar nicht denkt - daher lese ich immer gern solche Aufklärungen - um dazuzulernen und auch, um mich empathischer verhalten zu können. Schön, von dir zu hören, und ich wünsche dir schonmal frohe Weihnachten!

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