Mittwoch, 20. Dezember 2023

1. Jahrzehnt

 20.12.2013: 

Ich liege schon seit einer ganzen Weile auf der Trage, mit der mich der Rettungsdienst in die Notaufnahme gebracht hat. Ich habe eine Infusion gegen die starken Rückenschmerzen bekommen und mir geht es den Umständen entsprechend gut. Ich habe meinen alten, löchrigen rosa Pulli und meine dunkelgraue Jogginghose an, weil ich heute eigentlich krank geschrieben war und ich es mir zu Hause gemütlich machen wollte. Meine Mama steht links von mir und wird langsam ein bisschen ungeduldig, weil die Notaufnahme immer voller wird und immer noch kein Arzt bei uns war. Ich schreibe meiner Reitlehrerin eine Nachricht, dass ich heute Nachmittag nicht zum Stalldienst kommen kann, weil ich irgendwie meine Beine nicht bewegen kann. Irgendwann kommt eine freundliche, sichtlich gestresste Kinderärztin an die Trage und sagt "Dauert noch einen Moment, wir müssen erst zu einer anderen Patientin. Der geht's schlechter." Irgendwann werden wir abgeholt, ich werde untersucht, irgendjemand sagt etwas von 'Notfall-MRT'. Es wird zunächst keine Ursache gefunden, ich muss da bleiben. Vielleicht ist es ja einfach "nur" psychogen und morgen früh wieder verschwunden; sowas kommt bei jungen Mädchen hin und wieder vor, sagt man mir. 


20.12.2023:

Ich bin wieder in der Notaufnahme. Bin im Rollstuhl unterwegs. Habe Hunger, bin zittrig von dem zu starken Kaffee, den ich morgens in der Fortbildung getrunken habe. Ich bin im letzten Jahr meines Studiums angekommen, dem Praktischen Jahr. Ich rufe Patienten im Wartebereich auf. Heute bin ich diejenige, die den Wartenden sagt, dass es noch einen Moment dauern wird. Ich befrage Patienten zu ihren Beschwerden; untersuche Hüften, Knie, Schultern, Hirnnerven, Wunden. Ich bin noch weit entfernt von Routine, aber fühle mich immerhin nicht mehr so unsicher wie am Anfang. Zwei Drittel der praktischen Ausbildung sind fast schon vorüber und meine Angst vor dem bevorstehenden letzten Staatsexamen wächst allmählich. Hoffentlich klappt alles und ich bestehe im ersten Versuch. Als ich abends müde vor meinem Laptop sitze und aus Sentimentalität die Fotos aus der Zeit im Krankenhaus von vor 10 Jahren durchklicke, verdrücke ich eine Träne, weil es mir rückblickend so leid tut, wie viel meine Familie in der Zeit aushalten musste. Ich bin dankbar, wie sich mein Leben in der Zwischenzeit entwickelt hat und bin unfassbar froh, immer noch dieselben Leute an meiner Seite zu haben, die mir damals den Rücken gestärkt haben und dass ich noch einige weitere Menschen von dieser Sorte dazu gewonnen habe! 

Und fast genauso froh bin ich über die Tatsache, dass ich in 10 Jahren nur ein einziges Mal unterwegs einen Platten hatte!

Auf die nächsten 10, Prost!