Mittwoch, 9. Oktober 2019

Gedanken

Momentan ist in meiner Gefühlswelt irgendwie der Wurm drin. Objektiv betrachtet geht es mir natürlich gut, ich habe kaum Grund, mich zu beklagen. Ich hatte schöne Ferien, bin froh so viel Zeit mit meiner Familie verbracht zu haben und natürlich bin ich nach wie vor erleichtert über mein bestandenes Physikum.

Aber trotzdem nagen zur Zeit Selbstzweifel und Neid mehr denn je an mir. Besonders in Bezug auf mein Äußeres finde ich Tausende verbesserungswürdige Stellen. Der Bauch könnte flacher sein, die Nase kleiner, die Oberschenkel schmaler, die Unterschenkel dicker, die Arme dünner, das Haar voller. Oh ja, mein aus unerfindlichen Gründen immer dünner und brüchiger werdendes Haar bereitet mir besonders Sorgen. Was für Luxusprobleme. Aber ich bekomme echt Panik bei der Vorstellung, in einem Jahr noch viel dünneres Haar zu haben, wenn das so weitergeht wie bisher (hoffentlich nicht). Dann vergleiche ich jedes Instagram-Bild, das ich sehe mit mir und erziele natürlich dabei nie zufriedenstellende Ergebnisse. In dieser Hinsicht ist der ganze Social-Media-Kram der größte Schrott.

Selbstverständlich könnte ich meinen Körper durch gesündere Ernährung und vor allem mit mehr Bewegung zumindest in einem gewissen Rahmen so 'formen', dass er mir besser gefällt. Warum ich das nicht mache? Keine Ahnung, wahrscheinlich aus Bequemlichkeit. Eine Fitnessstudiomitgliedschaft ist mir außerdem zu teuer und mein Handbike kann ich in meiner Uni-Stadt, wo ich während des Semesters nun mal die meiste Zeit verbringe, nicht unterstellen. Immerhin wird mir während der Physiotherapie körperlich Einiges abverlangt und ich habe immerhin so etwas Ähnliches wie ein Ergometer zu Hause, da bin ich tatsächlich auch recht diszipliniert, was regelmäßige Bewegung angeht.

Aber es geht nicht nur um mein Äußeres. Ich würde auch gern neue Leute kennenlernen; ich würde gern arbeiten gehen, um meinen Eltern nicht so auf der Tasche zu liegen und ich würde gerne endlich wieder ein Hobby haben, das mir Spaß macht, aber während des Semesters bleibt kaum Zeit. Zumindest ist es bei mir so, wie andere das hinbekommen ist mir ein Rätsel.

Ach ja, und dann sitze ich ja noch im Rollstuhl, falls es noch keiner mitbekommen hat, höhö. Der meiner Meinung nach einzige Punkt in meinem Leben, über den ich mich wirklich beschweren kann. Und selbst da hat's mich ja noch wirklich gut getroffen. Angeblich hat ja jeder sein Päckchen zu tragen. Und ich bin wirklich wirklich froh, dass es mir und meiner Familie so gut geht. Aber trotzdem fühle ich mich immer schlecht, wenn ich sehe, wie "gut" es Andere haben. Wahrscheinlich sind die mit ihrer Situation und ihrem Aussehen auch oft mal unzufrieden, aber ich werde trotzdem ständig neidisch. Und das Schlimmste: Ich bin dann ungewollt manchmal richtig fies und gönne niemandem etwas, wenn es mir selbst nicht so gut geht. Keine schöne Charaktereigenschaft und ich weiß auch selbst, dass ich so nicht sein will, aber das lässt sich ja nicht mal eben locker abschalten. Genauso, wie man nicht einfach anfangen kann, "sich selbst zu lieben".

Ich denke die meisten Dinge, die mich stören, kann ich tatsächlich nicht ändern. Das Einzige, was mir übrig bleibt, um mich von negativen Gedanken nicht komplett einnehmen zu lassen, ist die Sichtweise auf diese Dinge zu ändern. Das habe ich in Bezug auf meine Krankheit ja schon ein paar Mal ganz gut hinbekommen, aber ich habe das Gefühl, das immer wieder tun zu müssen. Man kommt nicht einfach irgendwann damit klar; man muss immer wieder daran arbeiten, damit klar zu kommen. Wie auch jeder andere Mensch, der irgendein Problem hat, das sich nicht von selbst auflöst.

Also noch einmal: ich bin absolut dankbar dafür, dass es mir so gut geht, ich bin auch -anders als das hier klingen mag- nicht dauerhaft traurig und unzufrieden, aber ich muss wieder neu lernen, mit mir und meiner Situation besser klar zu kommen. Und mir nicht ständig darüber Gedanken machen, dass andere Leute die schöneren Reisen machen, sportlicher und intelligenter sind, den attraktiveren Körper haben, oder einen Typen nach dem Anderen abbekommen. Klingt stumpf, aber genau so etwas denke ich mir.

Wird Zeit, dass die Uni wieder los geht und ich etwas Anständiges zu tun habe!

1 Kommentar:

  1. Diese Gedanken haben wohl sehr viele - wenn nicht sogar die meisten! Du bist nicht allein :)
    In einer Hinsicht kann ich dich vielleicht trösten: Vieles relativiert sich beim Älterwerden. Selbst wenn man nicht das Superleben hat, aber man vergleicht sich nicht mehr so sehr mit anderen wie als ganz junger Mensch. Ich bin jetzt 35 und selbst als ich bis vor einigen Jahren fast 20 kg mehr wog als mit 20, fühlte ich mich wohler in meinem Körper als damals. Vermutlich trifft das nicht auf ausnahmslos jeden zu, aber es gibt Hoffnung :)

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