Donnerstag, 28. September 2017

Rollstuhl- und Autofahrer?

"Wie sind Sie denn hergekommen, Frau [Natalie]? Mit Ihren Eltern?"
  - "Nein, allein."
"Wie, allein? Mit dem Auto?"
  - "Ja."
"Achso, Sie können Autofahren?!"

Ja, Überraschung! Schon oft habe ich Dialoge dieser Art geführt und war jedes Mal ein kleines bisschen gekränkt, dass mir leider doch so wenig Selbstständigkeit unterstellt wird.

Autofahren schenkt einem nun mal wahnsinnig viel Mobilität. In der ist man als Rollstuhlfahrer ja bekanntlich eingeschränkt, weshalb das Autofahren Einem ein großes Stück Freiheit zurückgeben kann, finde ich. Die meisten Querschnitte (Querschnittgelähmte sind selbstverständlich gemeint) fahren mit Handgas. Wie der Name schon sagt, bedienen sie mit ihrer Hand das Gas und die Bremse. Die Autos haben dann natürlich ein Automatikgetriebe. Genau wie mein Auto, trotzdem läuft das Ganze bei mir noch etwas anders.

Zum Ende der zwölften Klasse hin, als ich siebzehn war, wollte ich endlich mit dem Führerschein beginnen. Ich hatte das Gefühl, die Einzige in meinem Jahrgang zu sein, die noch nicht Auto fahren konnte und das störte mich total. Ich hatte überhaupt keinen Plan vom Autofahren und alle anderen gratulierten sich ständig gegenseitig zu ihren bestandenen Prüfungen (ich gönne aber auch niemandem was, ich weiß). Und ich wusste überhaupt nicht, wie das bei mir überhaupt funktionieren sollte. Ich wollte irgendwie nicht lernen, mit Handgas zu fahren, das kam mir wieder so weit weg von der Normalität vor. Was selbstverständlich ziemlicher Quatsch ist, aber damals dachte ich halt so. Da ich auch zu dem Zeitpunkt schon recht gute Funktionen in meinem rechten Bein und Fuß hatte, hoffte ich darauf, meinen Führerschein 'ganz normal' mit Automatikgetriebe zu machen, da braucht man ja schließlich nur den rechten Fuß. So weit, so gut. Ist aber nicht ganz so einfach mit einer Behinderung.

Zuerst musste ich zu einem ärztlichen Gutachten, welches meine Eltern und mich schon einige hundert Euro kostete. Dort testete eine Ärztin die Funktionen in meinem Bein und schrieb - wer hätte es gedacht - ein Gutachten darüber. Das fiel in meinem Fall recht positiv aus und ich durfte mit der Theorie beginnen. Ja, richtig, ich musste das Gutachten haben, bevor ich zum Theorieunterricht gehen durfte. Versteh mal einer, warum..
Theorie und Praxis musste ich jedoch in unterschiedlichen Fahrschulen absolvieren. Ich brauchte logischerweise ein Fahrschulauto mit Automatikgetriebe und darüber verfügte in meiner näheren Umgebung niemand. Ich fand aber einen Fahrlehrer, der bundesweit Fahrstunden für Menschen mit Behinderung anbot und als die Theorie bestanden war, konnte ich mit der Praxis beginnen.

Um allerdings sicher zu gehen, ob ich wirklich genug Kraft und Kontrolle in meinem Bein habe, musste noch ein zweites Gutachten nach einer Fahrprobe hinzugezogen werden. Finde ich auf jeden Fall richtig, keine Frage. Teuer war es leider trotzdem. Als auch das geschafft war, konnte ich meine Fahrstunden zu Ende bringen und durfte in die Prüfung. Prüfung bestanden, Führerschein war da, Natalie überglücklich, weil sie auch endlich Auto fahren konnte.

Irgendwann wollte und musste ich mir dann ein Auto zulegen und es stellte sich die Frage: Wie bekomme ich denn da eigentlich den Rollstuhl rein?
Es gibt spezielle Vorrichtungen, die man sich ins Auto einbauen lassen kann, die dann den Rollstuhl hinein befördern. Bloß wer bezahlt das? Meine Krankenkasse schon mal nicht. Ebenso stellten sich auch alle anderen Ämter und Institutionen quer, die dafür in Frage kämen, da ich beispielsweise noch nicht arbeiten ging oder keine Ausbildung gemacht habe. Alles klar.👍 Die Verantwortung wurde von Einem zum Nächsten geschoben und letztendlich fühlte sich mal wieder keiner verantwortlich. Also konnte ich die Option schon mal abhaken. Ein bisschen zu meiner Freude; ich wollte nämlich natürlich keinen auffälligen Kran oder sonst was in meinem Auto haben..

Aber was dann? Ein Freund von mir, ebenfalls querschnittgelähmt, lädt seinen Rollstuhl immer über seinen Schoß hinweg selbst ein und baut ihn vorher halt auseinander. Dafür ist mein 'riesiger', schwerer Faltrollstuhl aber echt nicht geeignet. Einen zweiten Rollstuhl bezahlt die Kasse nicht und Rollstühle können echt teuer sein. Um meinen Rollstuhl ebenso verladen zu können, benötigte ich einen leichten Starrrahmenrollstuhl. Also einen, den man nicht falten kann. Und tatsächlich fand ich im Internet ein recht gutes Angebot zu einem gebrauchten Stuhl, der auch noch meinen Maßen entsprach. Ich sah ihn mir an, fuhr etwas zur Probe und kaufte ihn. Nicht wirklich cool; ein Rollstuhl sollte schon angepasst werden und man kann eigentlich nicht in 3 Minuten entscheiden, ob der Stuhl wirklich geeignet ist, aber eine andere Lösung fiel mir in dem Moment (und bis heute) nicht ein, also war´s schon gut so. Der Rollstuhl kam zu Hause an, das Auto war längst gekauft.. Und ich bekam ihn einfach nicht auseinander gebaut und über meinen Schoß ins Auto gehoben. Es war irgendwie zum Verzweifeln. Mit ein bisschen Rumprobieren und etwas Übung fand ich aber einen Weg, und den nutze ich nach wie vor:

Kofferraum auf, Umsetzen in den Kofferraum, den Rollstuhl über die hintere Stoßstange in den Kofferraum heben/ziehen (keine Ahnung, ob das wirklich die Stoßstange ist.. jedenfalls sieht sie, wie zu erwarten bei dem Gebrauch, ziemlich ramponiert aus..), festbremsen. Aufstehen, irgendwo am Auto festhalten, Kofferraumklappe zu. Und dann am Autodach abstützen und langsam seitlich bis nach vorn gehen, die Fahrertür sollte natürlich vorher schon offen stehen. Beim Ausladen logischerweise genau umgekehrt. Schwierig wird die Sache nur im Sommer, wenn das Dach total heiß ist oder im Winter, wenn es mit Schnee und Eis bedeckt ist. Auf meinen Beinen stehe ich auch alles andere als stabil, weshalb das Risiko zu stürzen auch nicht wirklich gering ist. Außerdem ist Scheibe kratzen auch nicht einfach und wenn jemand zu dicht an meinem Kofferraum oder an meiner Fahrertür parkt, kann ich den Rollstuhl nicht einladen bzw. komme ich nicht ins Auto.

Aber was soll´s. Anders geht es momentan nicht und ich bin einfach nur froh, endlich selbstständig von A nach B zu kommen, das gibt mir ein sehr schönes Gefühl von Unabhängigkeit und Selbstständigkeit. Mehr Mobilität und Flexibilität. Auch eine Tatsache, die mir viel geholfen hat, meine Einschränkung zu akzeptieren und einfach viel besser mit ihr klar zu kommen.


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