Samstag, 9. September 2017

Im Rollstuhl auf Festivals

Abenteuerlich! So viel kann ich vorweg schon mal sagen. Diesen Blogeintrag habe ich im Sommer geschrieben - für ein paar warme Gefühle, wo doch jetzt noch einmal Schnee liegt, hier ein paar Festivalerinnerungen.

Das letzte Festival, auf dem ich war, war das Highfield Festival - es war eine einzige Schlammschlacht. Mit nem Rollstuhl auf ein Festival zu gehen ist noch etwas anstrengender, als es ohnehin schon ist. Ich habe das Ganze jetzt schon ein paar Mal mitgemacht und frage mich jedes Mal aufs Neue, warum ich meiner Begleitung und mir so etwas antue. Schön ist es aber trotzdem jedes Mal gewesen.

Etwas schwierig macht die Sache, dass man als Rollstuhlfahrer in seiner Mobilität so schon irgendwie eingeschränkt ist und dann kommen unwegsames Gelände, weite Strecken und meistens ganz viel Matsch und Schlamm dazu. Klar, man weiß schon, worauf man sich einlässt, aber ein bisschen Jammern möchte ich trotzdem. Beim Highfield war durch den vielen Regen der Boden so schlammig, dass die Greifreifen meines Rollstuhls gar nicht mehr anzufassen waren und der Boden so aufgeweicht war, dass ich sowieso nicht mehr selbstständig von A nach B kommen konnte. Also mussten meine Freundinnen mich überall hinschieben, was natürlich keine leichte Angelegenheit war. Ist auch nicht schön, immer von jemandem abhängig zu sein und man möchte die Anderen ja auch nicht ständig "belasten", aber ging nun mal nicht anders und meine Freundinnen sind da zum Glück ziemlich schmerzfrei.


Was ich am Highfield echt loben kann: um Gäste mit Handicap wurde sich schon im Vorhinein gut gekümmert. Man musste sich per Kontaktformular auf der Webseite des Festivals anmelden und hatte damit den Luxus, auf dem VIP Campingplatz wohnen zu können. Vorteil war dabei, dass die Wege bis zum Festivalgelände relativ kurz waren und es auf dem Campingplatz eine Behindertentoilette mit fließend Wasser gab - richtig gut! Ich habe auch schon Festivals erlebt, bei denen ich mich in die versifften Dixiklos für laufende Menschen setzen musste. Nicht so schön, wenn man nicht stehen kann, sich überall festhalten muss und mit dem Po in irgendwelchen ekligen Substanzen sitzt.. Ich würde mich nicht beschweren, wäre mir nicht bei diesen Festivals vorher versichert worden, dass es eine barrierefreie Toilette gäbe, von der vor Ort dann niemand etwas wusste.. War beim Highfield aber wie gesagt nicht so. Das Wasser aus dem Hahn war sogar warm, das hat uns teilweise richtig glücklich gemacht - so einfach sind wir.

Cool waren auch die echt großzügigen Podeste für Rollstuhlfahrer, die es an jeder Bühne gab. Als Rollstuhlfahrer sieht man ja meistens alles aus der Kleinkindperspektive, was bei Konzerten echt unvorteilhaft ist. Vor allem, wenn Menschen anfangen zu springen und zu tanzen kann es schnell auch gefährlich werden. Auf den Podesten war man davor geschützt (vor dem immer präsenten und penetranten Grasgeruch nicht) und hatte einen super Blick auf die Bühne und über die Menschenmasse. Sogar barrierefreie Dixiklos gab es dort, da hat mal einer mitgedacht. Die Sicherheitsleute waren auch größtenteils so locker drauf, dass ich mehr als eine Begleitperson mit hochnehmen durfte, solang es natürlich nicht zu voll wurde.
Cool wäre nur, wenn diese Podeste im Allgemeinen besser kenntlich gemacht werden würden. Wenn man versucht, mit dem Rollstuhl durch die Menschenmenge zu kommen, ist es sehr schwer, währenddessen auch noch auszumachen, wo genau sich eben diese Podeste befinden. Eine Fahne mit einem Piktogramm würde schon reichen, denke ich.


Die anderen Gäste waren meistens auch richtig hilfsbereit und haben uns geholfen Platz zu machen, wenn wir durch die Menschenmenge wollten oder haben mich über ein besonders tiefes Matschloch getragen. Apropos Menschenmenge: wenn es eng ist, ist es natürlich nicht leicht, mit einem Rollstuhl durchzukommen und ich verstehe auch, dass die Menschen nicht einfach zur Seite springen können, wenn jemand im Rollstuhl kommt, das erwarte ich auch überhaupt nicht. Trotzdem ist es auf unwegsamen Gelände manchmal schwer und man fährt jemandem von hinten aus Versehen ans Bein. Dass dann aber meine mich schiebende Freundin, die sich wirklich nett entschuldigt hat, als Blödmann angepöbelt wird, verstehe ich nicht. Dreckig waren die Beine von wirklich Jedem auf diesem Festival und wehgetan kann das auch nicht haben, wir sind ja nicht mit 20 kmh durch die Kante gerast. Ein bisschen mehr Verständnis hätte ich mir an dieser Stelle gewünscht, aber was soll's. Immerhin hatten wir dann etwas, worüber wir uns aufregen konnten..
Von anderen Rollstuhlfahrern erhielten wir den Tip, mich beim nächsten Gang durch die Menge einfach mit einer Taschenlampe anzuleuchten, damit die Leute mich rechtzeitig sehen und Platz schaffen können. Haben wir direkt versucht - hat geklappt!

Fazit: Als Rollstuhlfahrer allein auf einem Festival unterwegs zu sein stelle ich mir mehr als schwer vor, auch wenn man viel Hilfe bekommt, wenn man sie sucht. Man möchte sich ja nicht rund um die Uhr von wildfremden Menschen helfen lassen. Aber mit den richtigen Freunden, denen es egal ist, ob sie jetzt dreckig werden und ob es anstrengend ist, die Natalie jetzt nocheinmal über das halbe Gelände zu schieben ist es machbar! Die guten Konzerte und der Alkohol haben natürlich ihr Übriges getan, weshalb wir alles im allem ein schönes Wochenende hatten.
Empfehlen kann ich nur, sich als Rollstuhlfahrer vor dem Festival mit dem Veranstalter in Verbindung zu setzen und alles genau zu erfragen, um am Ende keine bösen Überraschungen zu erleben.




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