Freitag, 8. September 2017

anfängliche Stolpersteine & Rollstuhlchaos

..Jaja, Stolpern als Rollstuhlfahrer.. Ihr wisst, was ich meine.

Aus dem Schutz der Rehaklinik entlassen, fand ich mich im Juli 2014 zu Hause wieder. Ein halbes Jahr Reha war vorbei; das abendliche Spritzen der Clexane (Anti-Thrombose) war vorbei und auch das Tragen der sexy Kompressionsstrümpfe.
Enttäuschenderweise immer noch ohne laufen, geschweige denn frei stehen zu können. Dabei hatte ich mir das doch alles ganz anders vorgestellt. In meiner naiven Vorstellung dachte ich mir immer "die Reha verlass ich nicht, wenn ich nicht wieder laufen kann!" Oookay, dann würde ich wohl heute noch da sitzen und warten..

Jedenfalls war ich dann zurück zu Hause und hatte erstmal viel Zeit. Die Schule ging eh nur noch ein paar Tage, weshalb ich zu Hause bleiben konnte und damals nur zum Schulfest mal wieder vorbeischaute. Die Zeit zu Hause war nötig, denn meine Wochen waren vollgepackt mit Therapien und Arztbesuchen. Krankengymnastik hatte ich 2-3 Mal pro Woche zu Hause und einmal die Woche in einer ambulanten Rehaklinik. Zwischendurch probierten wir auch einige andere alternative, zeitraubende Therapien aus, so war ich dann erstmal beschäftigt. Viel machen konnte ich eh nicht, mir war es zu der Zeit meistens echt peinlich, im Rollstuhl irgendwo gesehen zu werden und ich war eh darauf angewiesen, von Mama oder Papa durch die Gegend gekutscht zu werden.

Außerdem musste sich sowieso erstmal einiges einfinden. Da meine Krankenkasse nicht die großzügigste ist und wohl auch nicht besonders schnell arbeitet, musste ich anfangs noch ohne bestimmte Hilfsmittel klar kommen. Und das war mies. Beispielsweise fehlte uns die ersten 2 Monate der Treppenlift. Meine Eltern haben ein Haus und unsere Wohnung befindet sich in der oberen Etage. Nun komm da mal hoch, ohne laufen zu können. Entweder trug mein Papa erst mich und dann meinen damaligen Rollstuhl hoch oder runter; oder ich musste mich Stufe für Stufe nach oben/unten stützen. Damals hatten meine Beine noch kaum Kraft, weshalb ich sie auf jede einzelne Stufe mit den Händen setzen musste. Ja, ich jammere hier auf hohem Niveau, aber deshalb heißt es ja auch Luxusquerschnitt. 👆

So, der Treppenlift war irgendwann da - zack - nächstes Problem. Da unser Flur relativ schmal ist, konnte nur ein Lift eingebaut werden, auf den ich mich nur ohne Rollstuhl setzen kann. Gut, dann fährt man also hoch.. und dann? Der Rollstuhl steht ja dann logischer Weise noch dort, wo ich losgefahren bin. Das hieße also, dass meine Eltern jedes Mal den Rollstuhl hinterhertragen müssten, ich könnte also nie allein nach draußen oder nach drinnen gelangen. Die Krankenkasse bezahlt nur einen Rollstuhl, also mussten wir uns kümmern. Privat konnten wir von einer Bekannten so 'ne gebrauchte Gurke ergattern, mit der ich mich oben auch heute noch fortbewege. Nicht schön, aber es funktioniert und ich kann ohne fremde Hilfe nach oben oder nach draußen gelangen.

Das zu dem Zeitpunkt größte Problem, was die Hilfsmittelversorgung anging, war mein Rollstuhl. Den hatte ich mir in der Reha schon mithilfe der Beratung von Physio- und Ergotherapeuten ausgesucht und bei der Kasse beantragt. Mattschwarz, schön unauffällig und faltbar, damit ich auch mit den kleinen Autos von Bekannten und Verwandten mitfahren kann.. Die Krankenkasse brauchte natürlich viel länger als erwartet, um den Stuhl zusammen zu basteln und kam an meinem Entlassungstag aus der Reha erstmal mit einem absolut nicht passenden Rollstuhl an, der auch absolut kein Aktivrollstuhl war, den ich ja aber haben sollte und wollte. Aber gut, war ja nur auf kurze Zeit. Dachte ich.

Die Kasse versuchte mich nach ein paar Wochen mit einem schon fertigen "Aktivrollstuhl" zu vertrösten, der natürlich gar nicht an mich und meinen Körper angepasst war. Ich weiß noch, wie der Mitarbeiter das knallrote Ding aus seinem Transporter holte. Schwarz und unauffällig wollte ich! Der Stuhl erinnerte auch weitaus mehr an die gebrauchte Gurke (zwei hochklappbare Fußstützen; Armlehnen --> super, zum Selbstfahren..👍 u.s.w.), als an den Aktivrollstuhl, der mir vorschwebte und den ich auch beantragt hatte. Nun gut, meine Mama hat einen Widerspruch nach dem anderen geschrieben und sich regelmäßig mit der Krankenkasse und dem zuständigen Sanitätshaus 'angelegt' (danke dafür!), bis ich irgendwann meinen gewünschten Rollstuhl (natürlich im vorher festgelegten finanziellen Rahmen der Kasse) bekommen sollte.

Und das dauerte ewig. Die Sommerferien waren irgendwann vorbei und ich musste anfangs mit der alten Gurke in die Schule. Ich glaube nach ein paar Wochen bekam ich dann tatsächlich meinen Rollstuhl, der irgendwann nochmal ausgetauscht wurde, weil irgendetwas nicht gepasst hatte, aber jetzt habe ich ihn immer noch nach wie vor. Schwer wie ein Elefant und mittlerweile auch reichlich mitgenommen. Im Vergleich zu anderen Aktivrollstühlen ist er groß und sperrig. Vor ein paar Jahren war das völlig okay, da wurde ich, wenn ich mich überhaupt mal auf längeren Strecken außer Haus befand, größtenteils geschoben und wenn ich bei jemandem mitfuhr, wurde er einfach zusammengeklappt und in den Kofferraum geladen.

So weit, so gut. Ich hatte früher oder später alle nötigen Hilfsmittel zusammen, konnte halbwegs 'gut' Rollstuhl fahren und die nötigsten Alltagstätigkeiten selbstständig durchführen. Bald ging es, wie schon erwähnt, wieder in die Schule und das "Leben zu Hause" konnte beginnen..

2 Kommentare:

  1. Hi Natalie, ich habe zufällig dein Blog gefunden und direkt neugierig alles gelesen. Eigentlich bin ich immer nur ein stiller Leser, aber ich wollte Dir hier gerne (als Erster) eine Rückmeldung geben und Dich zum weiterschreiben ermutigen. Mit der Zeit kommen hoffentlich noch mehr Leser dazu.

    Du hast einen schönen Stil zu schreiben und eine interessante Geschichte. Das führt einem immer wieder vor Augen, wie ohne Vorwarnung von heute auf morgen sich das ganze Leben ändern kann und wie froh man sein muss, dass man gesund und ohne Einschränkungen leben kann.

    Es klingt ja aber so, dass Du dein Schicksal akzeptiert hast und auch mit einem Rollstuhl das Beste und Schönste aus deinem Leben machst und Dich deshalb nicht zurückziehst. Es gibt sicherlich viele kleine Stolpersteine, aber keine die nicht überwunden werden können.

    Leider gibt es in unserer Gesellschaft viel zu viele Vorurteile und falsche Einschätzungen über Personen mit körperlichen Einschränkungen. Durch solche persönliche Lebensgeschichten kann man hoffentlich dazu beitragen, dass manche Menschen ihre Gedanken reflektieren und merken, dass der erste Eindruck fast immer falsch ist.

    Ich würde mich freuen wenn Du deine Geschichte weiter erzählst und werde Dir dabei interessiert folgen.

    Liebe Grüße
    Ole

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    1. Ganz ganz lieben Dank für Deine ermutigenden Worte!

      Genau diesem falschen ersten Eindruck möchte ich hiermit gern ein wenig vorbeugen :)

      Liebe Grüße!

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