Dienstag, 3. April 2018

Ganz viel Hoffnung und ein bisschen Futurismus (Cyberdyne I)

Wie viele Andere wusste auch ich bis zum Abi immer noch nicht, was ich denn danach überhaupt machen wollte. Ich habe mich ewig mit den verschiedensten Studiengängen und Berufen beschäftigt, aber konnte mich nie zu hundert Prozent festlegen. Medizin interessierte mich damals, aber als Rollstuhlfahrerin schloss ich das von Vornherein für mich aus. Da ich ohnehin nach dem Abi erst nochmal zur stationären Reha wollte (eher "sollte" :D), beschloss ich, nicht direkt danach mit Studium oder Ausbildung zu beginnen.

Glücklicherweise ergab sich genau in dieser Zeit aber alles etwas anders.. Ich scrollte - wie ich das wahrscheinlich viel zu oft mache - gelangweilt durch Facebook und sah, dass jemand aus meiner Freundesliste eine Seite mit dem Titel "Lauf, Gianna, lauf!" abboniert hatte (https://www.facebook.com/laufgiannalauf/?fref=ts). Auf dem kleinen Bild erkannte ich eine junge Frau neben einem Pferd und da ich die Kombination aus Pferden und dem Thema Laufen gut fand, guckte ich mir die Seite näher an. Sah, dass die besagte junge Frau auf dem Bild im Rollstuhl saß und schaute mir ein Video an, dass auf der Seite geteilt wurde.

Ich weiß noch ganz genau, wie ich in meinem Zimmer saß, fast aus allen Wolken fiel und vor Hoffnung beinahe platzte, weil Giannas Geschichte sooo gut zu meiner passte. Sie erzählte in dem Video von einer robotergestützen Lauftherapie mit einem Exoskelett, dem so genannten  HAL. Giannas verbliebene Funktionen ähnelten meinen damals sehr (so weit man das mit einem Video beurteilen kann) und die Therapie mit dem HAL wirkte von Anfang an sehr erfolgversprechend auf mich. Nicht falsch verstehen, niemand hat dort irgendwem Versprechungen gemacht - ich habe nur meine Symptomatik mit der von Gianna verglichen und daher die Hoffnung geschöpft, dass das Training bei mir auch so gut helfen würde.

Meine Eltern waren genauso begeistert und schon bald setzte sich meine Mama mit der Firma Cyberdyne Care Robotics, die das HAL-Training durchführt, in Kontakt. Alles ganz unkompliziert, alle total nett. Die Therapie fände bei den meisten Patienten drei Monate lang im neurorobotalen Trainingszentrum in Bochum statt, wurde uns mitgeteilt. Problem: Die Finanzierung bei Patienten, bei denen die Krankenkasse dafür aufkommen müsste. Was bei mir natürlich der Fall war.
Aber daran war ohnehin noch gar nicht zu denken; wir wussten ja noch nicht mal, ob ich für das Training überhaupt geeignet war. Also wurden wir schon kurz darauf zum Probelaufen nach Bochum eingeladen.

Im Juli 2015 lief ich also erstmals (in ziemlich futuristischer Atmosphäre) probehalber mit dem HAL auf dem Laufband. Was anfangs natürlich total ungewohnt war. Der Roboter registriert durch an den Beinen aufgeklebte Elektroden die Impulse, die man seinen Muskeln selbst noch geben kann und berechnet, wie stark er einen unterstützen muss. Man läuft also selbst aktiv auf dem Laufband und wird vom Roboter mit unterstützt; ist aber mithilfe eines Gurtes etwas "aufgehängt" und damit entlastet. Wer genauer wissen will, wie so ein HAL funktioniert, sollte sich aber lieber nochmal bei http://www.ccr-deutschland.de informieren; ich kann das ja nur sehr laienhaft erklären.
Jedenfalls erfüllte mich das Probetraining wie eigentlich erwartet mit viel Hoffnung, da ich medizinisch gesehen wirklich gut dafür geeignet war. Meine Restfunktionen haben ausgereicht, dem Roboter die nötigen Signale zu übermitteln.

Dazu kam, dass die paar Leute, die wir bei diesem einen Training kennenlernten, schon super nett zu uns waren; Bochum mir wirklich schöner erschien, als es das Klischee vielleicht vorgibt und ich vor allem durch die Erfahrung anderer sehen konnte, wie viel diese Therapie bringen kann.
Für mich Stand also fest, dass ich nach dem Abi unbedingt dort trainieren wollte. Doch wer sollte das bei mir als Kassenpatient alles finanzieren? Auch wenn es recht aussichtslos erschien, versuchten wir es trotzdem bei meiner Krankenkasse. 

Und nach monatelangem Warten und viel Überredungskunst und Hilfe und Widerspruchschreiben und Hoffen und Drängeln und Vitamin B (traurig, aber wahr) bekam ich etwa ein halbes Jahr später die Zusage, dass meine Krankenkasse die Kosten für die Therapie für 3 Monate tragen wird. Noch dazu durfte ich in dieser Zeit in einem zur Verfügung gestellten Appartement wohnen. Quasi die erste "eigene" Wohnung auf Zeit.

Als ich dann 2016 mit dem Abi fertig war, mischte sich langsam etwas Angst in die Vorfreude, da mir klar wurde, erstmals auf längere Zeit allein in der großen Stadt ohne Mami und Papi und noch dazu mit Behinderung klarkommen zu müssen..

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen