Donnerstag, 6. September 2018

Lieber Dr. Sommer...

Mal ein recht intimes Thema. 
Keine Ahnung, ob ich den Eintrag überhaupt veröffentliche (offensichtlich schon, aber es ist mir echt ein bisschen peinlich). Ich habe Liebeskummer. Obwohl Liebeskummer das falsche Wort ist. Mein Hirn von dieser fälschlichen Illusion, die ich mir da aufgebaut habe zu lösen, kostet Zeit, Nerven und hin und wieder ein paar Tränen. Ganz dramatisch, ich weiß, #firstworldproblems. Entgegen der weit verbreiteten Annahme, meine Querschnittlähmung würde mich am ehesten traurig machen, nehmen mich solche Angelegenheiten viel mehr mit. Auch wenn das natürlich blödsinnig ist.

Das Thema Rollstuhlfahrerin und Beziehung/Männer/Liebe/wasauchimmer scheint viele zu interessieren. Jedenfalls wird mir von Fremden öfter mal die Frage gestellt, ob ich jemals in einer Beziehung war und die meisten gehen automatisch davon aus, dass ich keinen Freund habe. Was soll ich sagen, stimmt auch.

Und zunehmend mache ich mir Gedanken, ob das der Tatsache geschuldet ist, dass ich im Rollstuhl sitze. Nun, sie wird einiges dazu beitragen, so viel ist sicher. Ich glaube nicht, dass sich jemand schnell in mich verlieben könnte. Für die meisten Menschen wirkt der Rollstuhl da sicherlich als Bremse. Ich bin nicht hässlich, nicht doof, aber trotzdem bleibt immer dieses Manko. Mir ist klar, dass derjenige meine Situation nicht als Manko sehen sollte, aber ich kann keinem Menschen abverlangen, dass er es nicht tut (ich selbst finde ja schon viel harmlosere Dinge attraktivitätsmindernd - z.B. wenn ein Typ "attraktivitätsmindernd" sagen würde).
Jaja, man kann sich dran gewöhnen und es gibt sicher Schlimmeres, als meine zugegebenermaßen geringe Einschränkung. Aber wenn jemand die Wahl zwischen mir und einer ähnlich attraktiven, charakterlich passenden aber gesunden Person hat, ist doch klar, wen er wählt.

Ich will hier gar nicht jammern und weiter im Selbstmitleid baden, aber das beschäftigt mich momentan wirklich ziemlich. Vielleicht schiebe ich meine Behinderung aber auch einfach vor, weil ich mir nicht eingestehen kann, vielleicht nicht unbedingt den angenehmsten Charakter in einer Beziehung zu haben, wer weiß. Und vor allem, weil ich nicht wahrhaben will, dass mich manche Menschen eben doch nicht so toll finden wie ich sie. Und dass wir eben doch nicht so zusammenpassen, wie ich mir das ausgemalt habe. Die Überlegung, es aufgrund meiner Situation schwerer zu haben, irgendwann mal 'nen Kerl zu finden macht es nicht einfacher, über sowas hinweg zu kommen.

Klar, ich bin 20 und habe schon noch genug Zeit für sowas, aber seine Gedanken macht man sich ja nun mal, ne?
Und ja, ich weiß dass es ganz viele Leute gibt, die aaaabsolut kein Problem damit haben, dass ich im Rollstuhl sitze - aber so jemanden will ich nicht. Jetzt bin ich auch noch wählerisch, schon klar. Kann ich mir eigentlich gar nicht leisten. Aber so jemand würde nicht zu mir passen. Denn ich hätte, wäre ich gesund, definitiv erstmal Vorurteile und würde es nicht in Erwägung ziehen, mit einem Rollstuhlfahrer zusammen zu kommen. Wenn sonst alles stimmen würde und ich die gar nicht so sonderbare Situation erstmal angenommen hätte, würde ich damit allerdings sicher auch als 'Gesunde' kein Problem haben. 

Klingt ganzschön durcheinander, macht für mich aber Sinn. Nein, ich möchte niemanden, der von Anfang an betont, damit kein Problem zu haben; der am besten noch ein ausgeprägtes Helfersyndrom hat und im schönsten Fall schon mal im Krankenhaus gearbeitet hat und sich daher 'mit Rollstühlen super auskennt'. Nene, so verzweifelt bin ich dann doch noch nicht.
Ich weiß auch gar nicht, was ich mir davon verspreche, solch emotionalen Mädchenkram hier in alle Welt zu tragen, aber vielleicht schadet's ja nicht, sich das eine oder andere schwarz auf weiß vor Augen zu halten.

Ich glaube, ich weiß die Antwort selbst schon fast. Ich sollte mich weniger selbst bemitleiden und einfach mal abwarten - Natalie, mach dir nicht so 'nen Kopp! Ha, wenn das mal so leicht wär.

2 Kommentare:

  1. Ich finde, das Thema "Liebe und Beziehung" ist in unserer Zeit so unglaublich präsent in allen Medien, Filmen, Büchern, Liedern (man zähle mal die Songs in den Charts, die nichts mit Liebe zu tun haben), dass es fast schon unnormal wäre, sich _keinen_ Kopp zu machen als Langzeitsingle.
    Ich habe meinen ersten Freund übrigens mit 27 kennen gelernt, auch ohne Behinderung (und habe mir selbstverständlich auch ziemlich viele Gedanken drüber gemacht, ob das normal ist oder etwas mit mir nicht stimmt) - und kenne durchaus auch mit 33 diverse (ganz durchschnittliche) Menschen, die noch nie eine Beziehung hatten. Zwischen all den Menschen, die quasi nie Single sind, vergisst man deren Existenz leicht - wohl auch, weil sie weniger drüber reden.
    Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Rollstuhl am Anfang des Kennenlernens ein Hindernis ist - aber wenn man jemanden erstmal kennen lernt, sollte doch die Person in den Vordergrund rücken (deine Freunde dürften dich ja auch als "Natalie" wahrnehmen und nicht als "die Rollifahrerin") ... natürlich dürfte der Rollstuhl ein "Manko" bleiben, aber Mankos hat jeder Mensch. Ich drücke dir von Herzen die Daumen, dass du deinen ganz besonderen Menschen findest, mit dessen Mankos du und der mit deinen Mankos leben kann.

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    1. Ich danke Dir für Deine lieben und wirklich wahren Worte. Es tut gut, so etwas zu hören! Du formulierst eine Herangehensweise, die ich mir aneignen sollte :)

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